Vor 70 Jahren entließen die vier alliierten Besatzungsmächte Österreich in die staatliche Souveränität. Eine Reise durch das Kernland der Republik, vom Ort der ersten urkundlichen Erwähnung bis zum Schloss, in dem der Staatsvertrag unterzeichnet wurde.
In handelsüblichen Einheiten gemessen umfasst die Transaktion 1000 Hektar oder 10 Quadratkilometer – zum Rasenmähen recht viel, als kaiserliches Geschenk von überschaubarer Großzügigkeit.
Ursprünglich war es nur ein kleines Dankeschön. Kaiser Otto III. überließ dem Freisinger Bischof Gottschalk von Hagenau als Anerkennung für dessen Unterstützung während eines Italien-Feldzugs einige Besitzungen „zu eigenem und ewigem Gebrauch“. Der Ort Niuvanhova samt der umliegenden 30 Königshufen, eine verrückt klingende Maßeinheit, wechselten am 1. November 996 den Besitzer. Die besondere Bedeutung des Schriftstücks findet sich in der örtlichen Beschreibung des Präsents, am Ende der zweiten Zeile: „in regione vulgari vocabulo Ostarrîchi dicitur“, zu Deutsch „in einer Gegend, die in der Volkssprache Ostarrîchi genannt wird“.



Ein Faksimile vom Staatsvertrag betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich ist im Haus der Geschichte im Regierungsviertel der Landeshauptstadt St. Pölten ausgestellt – eine Schenkung der Russischen Föderation aus friedlicheren Zeiten.



Figls beeindruckendes politisches Lebenswerk – vom KZ-Häftling zum Bundeskanzler – wird in Rust im Tullnerfeld für die Nachwelt in Erinnerung gehalten.



In Gloggnitz befindet sich das Renner-Museum für Zeitgeschichte. Karl Renner leitete nach dem Ersten Weltkrieg die Delegation in Saint Germain, war später Staatskanzler und der letzte Nationalratspräsident der Ersten Republik. Von 1945 bis zu seinem Tod 1950 war Karl Renner der erste Bundespräsident der Zweiten Republik.



In Hochwolkersdorf hatte die Rote Armee in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs ihre erste Kommandostelle für den Vormarsch auf Wien eingerichtet. Renner und ein Mitglied der Widerstandsgruppe O5 sprachen mit den Russen über die Wiederinstandsetzung demokratischer Einrichtungen in Österreich. Diese Gespräche führten zur Gründung einer provisorischen Regierung unter der Leitung Renners. Knapp 200 Dokumente und Fotos zeugen im Gedenkraum 1945 von den damaligen Geschehnissen.



Nach dem flachen Tullnerfeld, wo eine nennenswerte Schräglage lediglich im Kreisverkehr erzielt wird, liegen nun die motorradfreundlichsten Strecken des Wiener Umlandes vor mir. Über die Ramsau erreiche ich Ostösterreichs Biker-Treff Nummer Eins, die Kalte Kuchl, und entscheide mich dort für die Weiterfahrt für den schmalen Güterweg Haselrast. Er bereitet mir mit seinen engen Kurvenradien mehr Fahrspaß als die über den Rohrer Sattel führende Landesstraße. Weiter geht es dann über das ruhige Klostertal mit schönen Blicken auf den östlichsten Zweitausender des Alpenbogens, den Schneeberg, bis ins wildromantische Höllental.












„Österreich ist frei!“
Leopold Figl
Die Präsentation des dicken, mehrsprachigen Vertragswerks am Balkon des Oberen Belvedere, nachdem die Hochkommissare und Außenminister der vier alliierten Besatzungsmächte sowie Leopold Figl am 15. Mai 1955 die Unterschriften unter den Staatsvertrag gesetzt hatten, ist ein Fixstarter im ikonischen Bildgedächtnis der Republik. Eine Metallplatte im Marmorboden erinnert an die Wiedergeburt Österreichs nach den Schrecken des Zweiten Weltkriegs.

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