Land der Burgen

Mehr als drei Jahrzehnte trennte hier der Eiserne Vorhang Europa. Nicht nur das kommunistische Regime, sondern auch die massiven Grenzbefestigungen setzten zunehmend Rost an – und sind heute, bis auf wenige mahnende Meter, entfernt.


Freude, schöner Götterfunken: Offene Schranken und blaue Schilder mit 12 gelben Sternen zeigen bei unserer Umrundung des Neusiedler Sees, wo das jeweilige Nachbarland beginnt. Der ungarische Abschnitt unserer Route beinhaltet einige holprige Abschnitte, die gut geeignet sind, eine allfällige morgendliche Restmüdigkeit aus den Knochen zu schütteln.

Der kleine Park mit dem „Tor zur Freiheit“ und informativen Schautafeln erinnert als Geheimtipp unter den Sehenswürdigkeiten des Burgenlandes an den Anfang vom Ende des Eisernen Vorhangs.

 Am 19. August 1989 veranstalteten Otto von Habsburg und ungarische Oppositionelle das „paneuropäische Picknick“, bei dem ein Grenztor mit behördlicher Genehmigung symbolisch für drei Stunden geöffnet werden sollte. Eine Gelegenheit, die sich zahlreiche Urlauber aus der DDR nicht entgehen ließen, um in den Westen zu flüchten. An jenem Tag schlug man an der kleinen Landstraße zwischen Sankt Margarethen und Sopronkőhida den ersten Stein aus der Berliner Mauer, drei Monate später wurde sie mit dem Satz „Das tritt nach meiner Kenntnis – ist das sofort, unverzüglich.“ zum Abriss freigegeben.

In Inzenhof nehmen wir erneut eine geschotterte Teilstrecke unter unsere Räder. Die Waldstraße endet bei einem außergewöhnlichen Kulturdenkmal. Die auf einer Lichtung emporragende Sankt Emmerichs-Kirche war bis zum Zweiten Weltkrieg Pfarrkirche von Inzenhof, der kleinste burgenländischen Gemeinde Tschanigraben und einigen ungarischen Orten. Abziehende deutsche Truppen legten in der Kirche Feuer. In der Zeit des Eisernen Vorhangs stand die Brandruine im Niemandsland des Grenzstreifens. Von Österreich war die Kirche nicht mehr erreichbar, die Kommunisten ließen das Gotteshaus verfallen.

Wer die in der Kirche ausgestellten Bilder betrachtet, vermag den ungeheuren Sanierungsaufwand (1990-92) zu erahnen: Dach und Kuppel waren eingestürzt, aus dem Boden der Kirche wuchsen Bäume. Heute erstrahlt die Kirche unter einem von Johannes Paul II. gesegneten Turmkreuz in neuer Pracht. Ein offener Schranken, Grenzsteine und Artefakte des Stacheldrahts markieren die Staatsgrenze, an der einst scharf geschossen wurde. Wer mag, kann hier weiterfahren und bei der nächsten Gelegenheit nach Österreich zurückkehren – aber ganz unter uns: Die Schotterstraße durch den Wald ist besser befahrbar als die rumpelige Asphaltstraße in Ungarn.

Das nördliche Burgenland ist flach und windig, der Süden gehört zu den wärmsten und sonnenreichsten Regionen Österreichs. Für Schräglagenfans ist der Geschriebenstein nicht nur die erste Adresse im Burgenland, sondern auch die einzige. Dafür entschädigen die wunderschönen Landschaften des Eisenbergs und rund um Deutsch Schützen: Das Hügelland wird von einem Netz aus verkehrsarmen Nebenstraßen durchzogen. Weingärten, Ackerflächen und Waldstücke bilden eine kurzweilige Kulisse für entspanntes Motorradfahren. Nennenswerter Verkehr ist nur auf den Hauptverbindungen unterwegs, im untergeordneten Straßennetz finden wir vor allem Radfahrer und Traktoren.

Recherche der Route, Fotografie und Reportage für das Motourbook Österreich
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