Eine Runde durch drei Bundesländer, vorbei am höchsten Gipfel Österreichs: Wir machen einen Ausflug in das größte Naturschutzgebiet der Alpen, den Nationalpark Hohe Tauern, und genießen in nahezu unberührten Gebirgstälern weitere Momente des Staunens.
Die Mathematik ist eine Wissenschaft für sich: Obwohl die Null so rund ist wie keine andere Ziffer, gilt sie dennoch als gerade Zahl. Einzeln stehend repräsentiert sie das Nichts, in doppelter Form das „stille Örtchen“ oder britische Geheimagenten mit Liquidationserlaubnis. Sie dient als Trennung zwischen positiv und negativ, sowie als Ausgangspunkt von Skalen und Wegstrecken. Auch die schönste Bergstraße Österreichs beginnt mit einem Nuller-Kilometerstein, der in Bruck an der Glocknerstraße gut versteckt am Ufer der fröhlich plätschernden Salzach steht.
Mit salbungsvollen Reimen wurden die Kraftfahrer in der Zeit des Wirtschaftswunders auf die gefährliche Hochgebirgsetappe eingeschworen. „Fahr langsam, Freund, und lass dir Zeit, denn auf die Höhe ist es weit.“ Heutzutage würde man „Cruisen statt Rasen“ dazu sagen.
Von nun an geht’s bergauf – und das auf historischen Spuren. Schon zu Zeiten der Römer verkehrten Händler und Schmuggler über die schmalen Pfade durch das Herz der Hohen Tauern. Erst die Bahnlinie über den Brenner ließ die zentralösterreichische Alpenquerung in Vergessenheit geraten, mit dem Verlust Südtirols durch den Friedensvertrag von St. Germain im September 1919 waren Osttirol und Oberkärnten vom Rest Österreichs jedoch schlagartig nahezu abgeschnitten. Der Ingenieur Franz Wallack wurde 1924 beauftragt, eine neue Nord-Süd-Verbindung zu schaffen. Er unternahm vor der Trassenfestlegung eine Studienreise zu mehr als 40 Alpenpässen, denn sein Lebenswerk sollte der „leuchtendste Stern der Alpenstraßen“ werden – und das ist die 1935 eröffnete Straße bis heute. Nach lediglich fünf Jahren Bauzeit wurde eine sechs Meter breite Sandpiste dem Verkehr übergeben. Heute zählt die 48 Kilometer lange Hochgebirgsstraße mit ihren 36 Kehren gemeinsam mit dem Stephansdom und dem Schloss Schönbrunn zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Alpenrepublik. Seit 2015 steht die Straße unter Denkmalschutz.












Jede Kurve bringt uns näher ins Herz des Nationalparks Hohe Tauern. Immer wieder halte ich kurz am Straßenrand an, um die Aussicht zu genießen. Kein Verkehrslärm, nur die Geräusche der Natur sind zu hören: Glucksende Wasserfälle, im Wind leise rauschende Wälder und vereinzelt auch gellende Pfiffe. Sie stammen von den Murmeltieren, die aus ihren Höhlen krabbeln, um ihre neugierigen Nasen in die wärmende Sonne zu recken. 1,2 Kilogramm Fettreserven benötigen die im Dialekt „Mankei“ genannten Erdhörnchen, um sechs bis sieben Monate schlafend zu überwintern. Das entspricht einem Drittel ihres Körpergewichts. Eine kurze Hochrechnung: Auf den Menschen umgerechnet würde das ideale Überwinterungsgewicht rund 150 Kilogramm betragen – weit weg von der Bikinifigur, aber perfekt für ein Weihnachtsmann-Outfit!
Nach dem Kartitscher Sattel erreichen wir das Kärntner Lesachtal, eingebettet zwischen den Karnischen Alpen im Süden und den Gailtaler Alpen sowie den Ausläufern der Lienzer Dolomiten im Norden. Das alpine Hochtal zieren Bergbauerndörfer, die auf Sonnenterrassen beiderseits der Gail liegen, welche sich ihrerseits durch enge, bis 200 Meter tiefe Schluchten kämpft. Überregionale Bekanntheit errang das Lesachtal dank zweier Frauen. Die Gnadenmutter von Maria Luggau ist seit Jahrhunderten ein bekanntes Pilgerziel. Deutlich jünger ist die „Alpenbarbie“, Schlagersängerin Melissa Naschenweng. Sie wuchs im Weiler Nostra bei Birnbaum auf. Für Motorradfahrende besticht das Lesachtal durch seine Ursprünglichkeit. Obwohl die Strecke in den letzten Jahrzehnten an zahlreichen Stellen ausgebaut wurde, motivieren noch immer enge Kurvenradien, unübersichtliche Kuppen und viele kurvenreich am Hang entlang trassierte Abschnitte zur Entschleunigung.

Recherche der Route, Fotografie und Reportage für das Motourbook Österreich
