Welcome to Planet Cuba: Man nehme die Mentalität der DDR, vermenge sie mit dem Straßennetz Rumäniens, schmecke mit der Geschichte der Entdeckung der neuen Welt ab … und dekoriere das Ganze mit Sambarhythmen, Sandstränden mit Palmen und Mojitos bei Sonnenuntergang.
Die Straßen Kubas sind ziemlich beschissen. Aber nicht nur wegen der zahlreichen Schlaglöcher, deren Sanierung im finanziell devastierten Land auf der Prioritätenliste weit hinter der Alphabetisierung und der Gesundheitsvorsorge steht: Im Hinterland ist das Beförderungsmittel Nummer eins immer noch der Pferdekarren. Aber sehen wir es positiv: Selbst auf geraden Strecken kommt dadurch Kurvenfeeling auf, gilt es doch, den Slalom zwischen Rossfäkalien und Schlaglöchern möglichst elegant zu absolvieren.
Oldtimer der Flossen-Ära prägen bis heute Havannas Stadtbild; sie wurden zurückgelassen, als die Guerilleros unter Raoúl Castro Ruz, Fidel Castro und Che Guevara (in dieser Reihenfolge „die Faust, das Herz und das Hirn der Revolution“ genannt) die reichen Amerikaner und die italienischen Familien, die sich Havanna als Glückspielparadies und Bordell aufgeteilt hatten, samt dem Marionettendiktator Fulgencio Batista von der Insel jagte.
Santa Clara. Der Ort, an dem die entscheidende Schlacht zwischen den Guerilleros und der zahlenmäßig überlegenen Armee Batistas im Sinne des Sozialismus erfolgreich geschlagen wurde, beherbergt heute das Mausoleum Ernesto Guevaras. Geboren in Argentinien, wurde er dennoch ehrenhalber zum „Kubaner durch Geburt“ ernannt.
Che erfährt auf Kuba Muttergottes-gleiche Verehrung.
Er ist por siempre comandante, wie es auf großen Propagandatafeln steht, auf denen auch gerne der Endsieg (hasta la victoria siempre) herbeifantasiert wird. Alternativen sind überschaubar: Patria o muerte, Vaterland oder Tod. Früher oder später gewinnt immer letzterer – Guevara wurde 1967 in einem bolivianischen Anden-Kaff erschossen, sein Waffenbruder Fidel Castro, der máximo líder, den die CIA mehrfach vergeblich zu beseitigen versuchte, verstarb im November 2016 eines natürlichen Todes.
Abends trifft man sich am Dorfplatz, wählt sich mit Bezahlkarten ins Internet und wischt genauso eifrig über das Display wie unsere Jugendlichen, während vor der Bar eine Combo Livemusik unter Palmen darbietet. Gerne wird Guantanamera gespielt, ein Liebeslied des Nationalhelden José Martí über ein Mädchen aus jener ostkubanischen Stadt, die weltweit primär durch einen Militärstützpunkt des imperialistischen Klassefeindes bekannt ist.
Alle Bilder sind in zusätzlich zur gezeigten Vintage-Entwicklung auch in einer „normalen“ Farbversion vorhanden:
Cuba libre!
Wer in Kuba europäische Standards erwartet, wird dort gewiss nicht viel Spaß haben. Wer jedoch bereit ist, sich auf ein Land im Aufbruch einzulassen, beim Komfort ein paar Abstriche zu machen, bei Stromausfällen nicht sofort in Endzeitstimmung zu verfallen und auf herzliche, gastfreundliche Menschen offen zuzugehen, wird Kuba mögen.
Fotografie und Reportage