Land Rover Experience Seidenstraße: Ein Schiff wird bleiben

Weltkulturerbe und Offroadspaß: Am Steuer eines Range Rover Evoque auf den Spuren Marco Polos über die Seidenstraße, vom Morgenland ins Abendland entlang einer Kulisse aus tausend und einer Nacht.


In hohem Bogen fliegt der weiche Sand links und rechts aus den Radhäusern. Eine gewaltige Staubwolke verfolgt unseren kleinen, wendigen Range Rover. Muntere 190 PS treiben den Evoque durch die sanften Dünen. Ein bisschen weniger Druck in den grobstolligen Geländereifen, die Stabilitätskontrolle ist ausgeschaltet, und den Allradantrieb haben wir im Modus für tiefen Sand: Damit sind die Grundvoraussetzungen am Fahrzeug erfüllt. Jetzt gilt es zu den Kollegen im Konvoi genug Abstand zu halten, um nicht im Blindflug durch deren Grobstaubemissionen fahren zu müssen, und immer in Bewegung zu bleiben. Bei jeder Durchsage am Funk hören wir heraus, dass die Besatzungen der anderen Wagen nicht weniger Spaß am Geländeausflug haben als wir. Geschwindigkeitsbeschränkungen gibt es hier keine – im Gegenteil: Wer bremst verliert ist das Motto unserer Offroad-Etappe durch den jüngsten Teil der schier endlosen Wüste, quer durch ein knochentrockenes, mit kleinen Büschen gesprenkeltes Becken, das einst der Aralsee war.

Gestrandete Schiffe der einst stolzen Fischfang-Flotte lehnen mit Schlagseite im Sand und rosten bedächtig vor sich hin.

Seit der Stalin-Ära werden dessen Zuflüsse zur Bewässerung riesiger Baumwollplantagen in Kasachstan und Usbekistan missbraucht. Von einer ursprünglichen Ausdehnung, die etwa der Fläche Österreichs ohne Tirol und Vorarlberg entspricht, ist ein See übergeblieben, der „nur“ mehr etwas größer als Oberösterreich ist. Fassungslos stehen wir in der flirrenden Hitze am Abgrund: Gute zehn Meter bricht das Gelände ansatzlos vor uns ab, dahinter breitet sich bis zum Horizont eine trostlose Ebene aus Sand, Salz und Chemierückständen aus. Mittlerweile liegt der Ort Mo’ynoq nicht mehr an der Spitze einer Halbinsel, sondern 80 Kilometer vom Ufer entfernt. Gestrandete Schiffe der einst stolzen Fischfang-Flotte lehnen mit Schlagseite im Sand und rosten bedächtig vor sich hin. Sie werden den Kindern noch viele Jahrzehnte als Klettergerüst, den Erwachsenen hingegen als Mahnmal gegen den Raubbau an der Natur dienen.

Nach Sonnenuntergang sitzen wir zwischen den bizarren Rostkähnen am Lagerfeuer, schwemmen den Staub des Tages mit kühlem Dosenbier von der trockenen Kehle und löffeln unser Abendessen aus der Alu-Verpackung. Über uns funkelt ein unglaublicher Sternenhimmel, die mit freiem Auge sichtbare Milchstraße scheint zum Greifen nahe. Einzelne Satelliten ziehen unbeirrbar ihre Bahn, und zwei, drei Sternschnuppen verglühen in der Atmosphäre. Die letzte Entscheidung des Tages – im Zelt schlafen oder gleich unter offenem Himmel – ist angesichts des lauen Abends eine leichte.

Doch nicht nur im freien Gelände, auch auf den echten Straßen werden die Konzentration des Fahrers und die Technik unseres Allradlers ordentlich gefordert. Schlaglöcher, die mühelos das halbe Auto verschlucken können sind ebenso zu meistern wie Kamelherden oder Wanderdünen, die die Fahrbahn langsam, aber unbeirrbar überqueren. So abenteuerlich wie manche Straßenstücke sind auch unsere zwielichtigen Hinterhof-Tankstopps: Usbekischer Diesel ist strikt für die Landwirtschaft reserviert, sodass wir unseren Konvoi notgedrungen aus schmuddeligen Kanistern betanken, die im Kofferraum eines Moskwitsch angeliefert werden.

Bei Fahrtpausen kommen wir mit den aufgeschlossenen, gastfreundlichen Menschen Usbekistans schnell ins Gespräch. Egal ob wir Brot, frische Früchte oder Mineralwasser kaufen wollen oder uns nur ein bisschen die Beine vertreten: „Woher?“ und „Wohin?“ sind die häufigsten Fragen, gefolgt von der Bitte um ein gemeinsames Foto. Selbst der Kutscher eines klapprigen Eselkarrens hat ein Handy unter der Kutte, mit dem er seine Enkelin am Lenkrad unseres Autos ablichtet. Häufig passiert es uns, dass die Bezahlung von Melonen oder Äpfeln mit einer ausschweifenden Armbewegung kategorisch abgelehnt wird.

Doch was wäre eine Reise entlang der Seidenstraße ohne die prächtig renovierten, unter dem Schutz der UNESCO stehenden Stadtzentren? Khiva, Bukhara und das bereits 2750 Jahre alte Samarkand sind die bekanntesten Orte, die ihren einstigen Reichtum den Wegzöllen der durchziehenden Karawanen verdanken. Entsprechend opulent wurden die Koranschulen, Minarette und Moscheen konzipiert und detailreich geschmückt. Staunend stehen wir vor 20 Meter hohen Portalen, deren farbenprächtige Fliesen im Sonnenlicht zu leuchten scheinen, und fühlen uns im blau-gold verzierten Innenraum des Gur-Emir-Mausoleums geradezu winzig. Frühaufsteher bewundern das Kalon-Minarett in Bukhara am besten im Licht der ersten Sonnenstrahlen, die mit ihren weichen Schatten die Struktur der lediglich aus gebrannten Ziegeln bestehenden Fassade plastisch ausformen.

Auch bei den schmunzelnd verlangten 100 US-Dollar Strafe für ein (zumindest behauptetes) Tempodelikt ist Feilschen üblich.

Viel zu schnell vergeht die Zeit in den verwinkelten Gassen. Wir streunen in kleinen Gruppen durch die jahrhundertealten Mauern Khivas und dürfen einen kleinen Gebetsraum besichtigen. Gleich nebenan werden wir in die arbeitsintensive Herstellung von Seide eingeweiht. Zwei konzentriert einen Teppich knüpfende Mädchen unterbrechen für uns ihre Arbeit im schattigen Innenhof und können ihr Lachen kaum verbergen, als wir versuchen, die einzelnen Knoten abzuzählen. Stoffhandwerk, Schnitzkunst, bemalte Schachteln aus Papiermaché oder Keramikware wird allerorts zu Tarifen angeboten, die zwar fair, aber dennoch nur die Ausgangsbasis der Preisfindung sind. Gleiches gilt für die Exekutive am Straßenrand: Auch bei den schmunzelnd verlangten 100 US-Dollar Strafe für ein (zumindest behauptetes) Tempodelikt ist Feilschen üblich. Wir einigen uns letztlich auf ein Modellauto als Geschenk. Keine Frage: Auf der Seidenstraße wird bis heute reger Handel betrieben.

Fotografie und Reportage für den Allradkatalog, das 4wd Magazin und die NÖ Nachrichten