Burgenland: Das Meer der Wiener

Mehr als drei Jahrzehnte trennte am Neusiedler See der Eiserne Vorhang Europa. Nicht nur das kommunistische Regime, sondern auch die massiven Grenzbefestigungen setzten zunehmend Rost an – und sind heute, bis auf wenige mahnende Meter, entfernt.  


In der Ferne zeichnen sich Rax und Schneeberg ab, das Leithagebirge wirft sich dazwischen noch auf – als letzter Gruß der Alpen. Der Rest der Gegend breitet sich hingegen topfeben aus. Mit anderen Worten: Serpentinenfreunde haben im Nordburgenland wenig zu lachen. Daher genießen wir gleich zu Beginn unserer Ausfahrt den Anstieg auf die Rosalia, wo eines der wichtigsten Wahrzeichen des Burgenlandes thront: die spätmittelalterliche Burg Forchtenstein. Sie gehört der Esterházy-Privatstiftung und diente der fürstlichen Familie über Jahrhunderte als Schatzkammer. Bald nach der Festung überqueren wird die Landesgrenze ins benachbarte Niederösterreich, denn der Abschnitt in der Hügellandschaft der Buckligen Welt bietet deutlich mehr Fahrspaß als der Sieggrabener Sattel.

In der jüngeren Weltgeschichte hat das flache Land westlich des Neusiedler Sees einen Fixplatz: Am ehemaligen Flugplatz von Trausdorf an der Wulka erinnert ein Kreuz an den Besuch von Papst Johannes Paul II im Juni 1988. Zum Feldgottesdienst durften auch Bürger aus dem damaligen Ostblock anreisen – ein erster kleiner Riss im Eisernen Vorhang.

Und am 19. August 1989 veranstalteten Otto von Habsburg und ungarische Oppositionelle das „paneuropäische Picknick“, bei dem ein Grenztor mit behördlicher Genehmigung symbolisch für drei Stunden geöffnet werden sollte. Eine Gelegenheit, die sich zahlreiche Urlauber aus der DDR nicht entgehen ließen, um in den Westen zu flüchten. An jenem Tag schlug man an der kleinen Landstraße zwischen Sankt Margarethen und Sopronkőhida den ersten Stein aus der Berliner Mauer, drei Monate später wurde sie bei einer Pressekonferenz durch ein Missverständnis mit dem Satz „Das tritt nach meiner Kenntnis – ist das sofort, unverzüglich.“ zum Abriss freigegeben. Der kleine Park mit dem „Tor zur Freiheit“ und informativen Schautafeln erinnert an den Sommer, in dem der kurz zuvor noch undenkbare Zerfall des Ostblocks Realität wurde.

Recherche der Route, Fotografie und Reportage für das Motorradmagazin
Motorradmagazin 4/2024 🇦🇹