Außerfern, Tirol: Hinterarlberg

Kurvenreiche Bergpässe, kleine Nebenstraßen hoch über dem Talgrund, geschotterte Almwege mit toller Aussicht: Der Westen Tirols weiß zu überraschen – und alle, die einen leisen Auspuff montiert haben, auch zu begeistern.


Egal ob die Scheitelstrecke des Hahntennjochs wegen des herbstlichen Almabtriebs gesperrt blieb oder durch Murenabgänge infolge vorhergehender Unwetter verschüttet war – noch nie hatte ich das Glück, die landschaftlich abwechslungsreiche Straße erleben zu dürfen. Umso mehr genieße ich meine Jungfernfahrt. Bis Bschlabs ist die Streckenführung mit ausgewogenen Steigungen und großzügigen Kurvenradien einfach zu befahren; durch Tunnelbauten ist dieser Streckenteil auch wintersicher. Beim Blick zurück beeindruckt mich die imposant aufragende, zu den Allgäuer Alpen zählende Hornbachkette. Auch im Sattel eines Motorrades gibt es immer etwas zu tun: Steil bergab führt die Straße zur Plötzigkurve, einer 180-Grad-Kehre, und anschließend wieder merklich bergauf Richtung Boden, wo die eigentliche Passstraße abzweigt.

Enge Kurvenradien und starke Steigungen charakterisieren den fahrtechnisch bemerkenswerten Abschnitt zu den alten Holzhäusern von Pfafflar. In diesem idyllischen Bergdorf finden sich alte Holzhäuser, deren Bau bis ins 13. Jahrhundert zurückreicht. Kurz darauf erreiche in den Parkplatz auf der Scheitelhöhe. Die Ostrampe wird zuerst von riesigen Schuttreißen an den Flanken des Scharnitzkopfs bedroht, dann folgen noch einige unübersichtliche, enge Kurven hoch über dem Salvesenbach.

Ab der Landesgrenze von Tirol gilt ein Fahrverbot für Motorräder über 95 Dezibel Standgeräusch. Bei allem Verständnis für den Schutz der Anwohner – das Standgeräusch als Kriterium für fahrende Motorräder heranzuziehen, ist kein durchdachtes Kriterium. Mit gleicher Logik könnte man auch bei Tempo-Kontrollen die in der Zulassungsbescheinigung eingetragene Bauartgeschwindigkeit ablesen, statt die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit zu messen.

Über den mit 1773 Meter Seehöhe angeschriebenen Flexenpass verläuft die europäische Hauptwasserscheide zwischen der Nordsee und dem Schwarzen Meer. Eine kleine, künstlich angelegte und munter gurgelnde Quelle neben der Straße teilt sich auf beide Meere auf – wer möchte, kann mit seiner Hand ganz einfach in den natürlichen Wasserkreislauf eingreifen. Überraschend ist für mich die Richtung, in die das Wasser fließt: Der im Norden der Wasserscheide entspringende Zürserbach wird über das Lechtal in der Donau landen, während der im Süden entspringende Flexenbach über die Alfenz und die Ill in den Alpenrhein mündet.

Schön langsam ist es wirklich hoch an der Zeit, mich nicht nur mit Kurven, sondern auch mit Kalorien zu belohnen. Die herrlich auf fast 2000 Meter gelegene Venetalm kommt da gerade recht. Knackig enge Kurven kennzeichnen die kleine Bergstraße von Schönwies nach Imsterberg. Der mit gelben Wegweisern beschilderte Almweg ist gut gewalzt, allerdings mit einem deutlichen Dachprofil zur Ableitung der Regenfälle nicht ganz einfach zu befahren. Die schöne Aussicht ins Inntal und ins Pitztal entschädigt ebenso für allfällige Anstrengungen bei der Auffahrt wie der köstliche Topfenstrudel mit Vanillesauce. Bergab geht’s für mich am gleichen Weg wie bergauf, denn die Abfahrt über die Forststraße Richtung Wenns im Pitztal ist radfahrenden Almbesuchern vorbehalten.

Auch die Gogles Alm – nein, das ist kein Tippfehler! – ist einen Besuch wert. Auf der Schotterstraße zur Almhütte stoppe ich kurz, um die schöne Aussicht ins weit unter mir liegende Inntal in Ruhe zu betrachten; einige der Bergspitzen am Horizont gehören bereits ins eidgenössische Nachbarland. In der Schausennerei der Gogles Alm wird die frische Milch in Käse, Butter und Joghurt weiterverarbeitet. Gelegentlich werden Führungen mit anschließender Käseverkostung um kleines Geld angeboten.

Recherche der Route, Fotografie und Reportage